„Querdenken 711“: Wie der Gründer die Verbreitung von Verschwörungsmythen fördert

Der Unternehmer Michael Ballweg hat die Initiative „Querdenken 711“ vor einigen Wochen ins Leben gerufen, um mit „Mahnwachen für das Grundgesetz“ gegen die Corona-Verordnungen zu demonstrieren. Es hat jedoch nicht lange gedauert, bis sich auch Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker in der Bewegung wohlfühlten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Unterstützung des ehemaligen Radiomoderators Ken Jebsen und seines „alternativen“ Medienportals KenFM, auf dem eine Vielzahl an Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien verbreitet werden. So teilt der Initiator der Bewegung, Michael Ballweg die Inhalte Jebsens nicht nur in sozialen Netzwerken, er ließ ihn bei einer Protestkundgebung am vergangenen Samstag sogar vor tausenden Demonstranten auf der Bühne sprechen.

In seiner Rede bei der Demonstration auf dem Cannstatter Wasen zieht Jebsen Vergleiche zwischen der aktuellen Situation und der NS-Zeit. „Damals wie heute waren es Ärzte, die die Rassengesetze beschlossen und definierten, wer gesund war und wer nicht“. Zudem bezweifelt er, dass die Bundesrepublik Deutschland demokratisch ist und bezeichnet sie als „Demokratiesimulation“. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche laut Jebsen von „Big Pharma unterwandert“ ist, werde vom US-Amerikanischen Milliardär Bill Gates gesteuert.

Demonstranten bei einer von Michael Ballweg organisierten "Querdenken 711" Kundgebung
Tausende besuchten die Protestkundgebungen in Bad Cannstatt

Diese vergangene Woche auf der „Querdenken 711“-Demonstration geäußerten Ansichten fügen sich in das bestehende Weltbild Jebsens. So seien seiner Ansicht nach die Anschläge des 11. Septembers 2001 von der US-Amerikanischen Regierung herbeigeführt worden. Laut „Tagesspiegel“ behauptete Jebsen zudem, dass die UN, die Internationalen Währungsfonds und die Atomenergiebehörde unter der Kontrolle von Zionisten stünden und dass US-Präsidenten ihre wichtigsten Reden von Juden genehmigen lassen müssten.

Michael Ballweg selbst beteuert sowohl in den sozialen Netzwerken, wie auch in Reden auf den Demonstrationen, dass Politische Extremisten bei den Kundgebungen nicht willkommen seien. Zum Thema Impfpflicht, vor der sich viele Demonstranten fürchten, veröffentliche Ballweg Anfang April einen Beitrag auf Twitter, in dem er eine Karikatur des US-Amerikanischen Karikaturisten Ben Garisson teilte. Zu sehen ist Bill Gates in einer abgewandelten SS-Uniform, der laut Garrison die Impfpflicht einführen will. Im Hintergrund befindet sich ein Hakenkreuz aus Spritzen. Ähnlich also wie Ken Jebsen in seiner Rede vergangen Samstag, zieht auch Garrison den Vergleich zum Nationalsozialismus. In der Bildunterschrift verweist Ballweg auf einen Artikel von Bill Gates aus dem „New England Journal of Medicine“, in dem Gates seine Vorschläge zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie beschreibt. Ballweg kommentiert: „Sehr erschreckend, was @BillGates für Vorstellungen hat.“

Aufgrund „verfälschter“ Berichterstattung über die Kundgebungen in der „Tagesschau“ und „RTL Aktuell“, drohte Ballweg Anfang Mai in einem Youtube-Video, jegliche Reporter in Zukunft von den Kundgebungen auszuschließen und rechtliche Schritte einzuleiten, insofern keine Richtigstellung erfolgt.

Wer unterstützt die Kundgebungen?

Der Impfgegner, AIDS-Leugner und selbsternannte „Medizin-Journalist“ Hans Tolzin besucht und unterstützt die Demonstrationen. Er behauptete Ende März, dass es „keinen Beweis für ein Krankheitsverursachendes Coronavirus SARS-CoV-2“ gebe. Des weiteren zählen zu den Unterstützern der „Querdenken 711“-Kundgebungen einige Mitglieder der Baden-Württembergischen AfD-Landtagsfraktion und der AfD Kreisverband Stuttgart. So werden laut der AfD-Landtagsabgeordneten Dr. Christina Baum in den Reden bei den Protestkundgebungen „fast ausschließlich Positionen formuliert, die teilweise zum Grundkern der AfD gehören.“ Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat bezeichnet die Demonstrationen als „Massenansammlung voller Patrioten“.

Von Kommunalpolitikern aus den meisten anderen Parteien und Bündnissen hagelt es wiederum Kritik über die Demos. „Stuttgart Ökologisch Sozial“-Stadtrat Luigi Pantisano, der davon überzeugt ist, dass die Demos von „Rechtsextremisten unterwandert“ seien, ruft dazu auf, Gegendemonstrationen zu organisieren. Diese fanden bereits statt und stellen sich zwar auch gegen die von beiden Seiten wahrgenommenen „Einschränkungen der Grundrechte“, lehnen jedoch einen „Schulterschluss mit Rechts“ aufgrund dieser inhaltlichen Übereinstimmung ab.

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