Ab dem 16. März 2020 wurde die Grenze zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern zur Eindämmung von COVID-19 geschlossen. Zu diesem weitreichenden Schritt entschieden sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer am Tag davor und beriefen sich dabei auf die aktuelle Regierungskrise. An den Grenzen wurde scharfe Grenzkontrollen eingerichtet und nur dringende Ausnahmefälle sowie der Lastverkehr durften weiterhin die Grenze passieren. Mittlerweile wurden die Grenzen im Juni 2020 wieder geöffnet und es stellt sich die Frage, wie sinnvoll es überhaupt war, die Grenzen zwischen den EU-Ländern zu schließen.
Laut mehreren wissenschaftlichen Studien können geschlossene Grenze und ein eingeschränkter Flugverkehr die Verbreitung eines Virus um wenige Wochen verzögern. Diese Studien beziehen sich auf die Viren MERS und SARS. Für die Corona-Pandemie gibt es noch keine speziellen Studien. Jedoch lassen sich diese Studien auch auf die aktuelle Situation übertragen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits vor Corona die Meinung vertreten, dass Reise- und Handelseinschränkungen keine effektiven Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Viren und im Speziellen gegen COVID-19 seien. Dies könnte zu Ressourcenknappheit und zu Problemen in der Gesundheitsversorgung führen, hat aber auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Laut WHO sind Reiseeinschränkungen nur zu Beginn einer Pandemie sinnvoll, damit Länder Zeit gewinnen können und in wenigen Tagen notwendige Maßnahmen vorbereiten können. Zudem seien Reisebeschränkungen in betroffene Gegenden und aus betroffenen Gegenden nicht sinnvoll und schaden hauptsächlich der Wirtschaft und der Gesellschaft. Viel wichtiger sei es, sich von anderen Menschen fernzuhalten und die Hygieneregeln zu befolgen.
Jedoch gibt es auch Gegenstimmen. Der Soziologe Ruud Koopmans hält die Grenzschließungen für sinnvoll. Seine Untersuchungen haben ergeben, dass Länder, die früh Einreisebeschränkungen verhängt haben, weniger Coronatote aufweisen, als Länder, die das nicht gemacht haben.
Ein weiteres Argument, dass man nicht außer Acht lassen darf, ist die ideologische Komponente. Auf der einen Seite können politische Maßnahmen wie die Grenzschließungen als Signal sinnvoll sein, um den Ernst der Lage zu unterstreichen. Auf der anderen Seite gab es beim Thema Grenzschließungen zu wenig Absprachen innerhalb der EU. Am Anfang der Pandemie trafen Regierungen Entscheidungen, die vor allem das eigene Land im Blick hatten. Jedoch sendete die fehlende Koordination ein falsches Signal an die Bevölkerung. Um die Vision eines gemeinsamen Europas aufrechtzuerhalten, ist es wichtig, Solidarität und Souveränität zwischen den einzelnen EU-Ländern zu zeigen und gemeinsame Lösungen zu finden.
Im Laufe des Junis wurden die Großzahl der Grenzen wieder geöffnet und mittlerweile ist es beispielsweise wieder möglich, im Nachbarland einkaufen zu gehen oder Bekannte zu besuchen. Die allgemeinen Kontrollen an der Grenze wurden aufgehoben, teilweise kann man sich aber noch auf längere Wartezeiten beim Grenzübergang einstellen. Trotzdem bedeutet, dass nicht, dass wir alle den Sommer nutzen sollten, in andere Länder zu verreisen. Das Motto heißt weiterhin „vorsichtig sein“, damit wir die Corona-Pandemie gemeinsam besiegen können.